Kapitalismus als Bürgerpflicht

Wie stichhaltig kann die Kritik an einem Wirtschaftssystem sein, wenn derjenige, der sie übt, sich mit Ökonomie nicht auskennt? Das fragt brandeins-Mitbegründer Wolf Lotter in seinem neuen Buch Zivilkapitalismus und bezieht sich dabei auf den mehr und mehr gesellschaftsfähig werdenden Antikapitalismus. Lotter leugnet dabei nicht, dass etwas in unserer Wirtschaft nicht stimmt. Jedoch sieht er nicht „das System“ oder den Kapitalismus an sich als Ursache von Wirtschaftskrise und Ungerechtigkeit. Im Gegenteil: Er beschreibt den Kapitalismus als Kind der Aufklärung und als Methode zum Erzielen von Wachstum und damit auch von Gerechtigkeit und Teilhabe.

Von der Ohnmacht zur Marktmacht des Einzelnen

Der Kapitalismus befindet sich in der Krise. Aus diesem Grund gilt es jetzt die Wirtschaft als ein „Werkzeug der Befreiung“. Darum setzt Lotter in seinem Buch dem herrschenden Wirtschaftssystem seinen „Zivilkapitalismus“ entgegen. Das bedeutet, dass der verantwortungsvolle Bürger sich die Ökonomie aneignet, als Ganzes, als Gestaltungsmittel, als Instrument zur Weltverbesserung. Lotter streitet für eine offene Gesellschaft, deren Weiterentwicklung von der Bereitschaft ihrer Teilnehmer abhängt, Wirtschaft aktiv mitzugestalten und die Führung nicht anderen zu überlassen. Eine Gesellschaft, in der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil von Unternehmen und Menschen genutzt wird. Dazu sei es nötig, falsche Anklagen gegen den Kapitalismus fallen zu lassen und ihn als Werkzeug zu begreifen, über unsere eigene Unmündigkeit hinweg zu kommen.

10 Kernpunkte des Zivilkapitalismus

Als Kern des Zivilkapitalismus hat Lotter zehn Punkte aufgeführt:

1. Wir sind erwachsen

2. Wir sind selbstbestimmt

3. Wir ermöglichen Zugänge

4. Zivilkapitalisten gehören sich selbst

5. Zivilkapitalismus ist eine Graswurzelbewegung

6. Zivilkapitalismus ist Realwirtschaft

7. Zivilkapitalismus ist Interesse am anderen

8. Zivilkapitalismus stärkt die Übersichtlichkeit

9. Zivilkapitalisten sind fortschrittlich

10. Was zu tun ist

Statt von der Politik und alten Machtstrukturen eine Antwort auf die Frage „Was kann man daraus machen?“ zu erwarten, läge es an uns selbst, eine Antwort zu finden, um die Unmündigkeit zu beenden. Lotter ruft dazu auf, den Kapitalismus nicht den Leuten zu überlassen, die „ihn zum Inbegriff des Versagens und der Ungerechtigkeit gemacht haben.“ Besserung sei nur durch uns selbst zu erwarten, auch wenn dies harte Arbeit ist. Aber immer hin gibt es eine ganze Welt zu gewinnen.

Die Dinge ändern sich nur, wenn wir sie selbst ändern

Das Fazit von Zivilkapitalismus ist im Grunde so einfach wie einleuchtend. Platte Kapitalismuskritik ist nicht effektiv und führt zu nichts. Anti-Haltungen, die sich gegen das ökonomische System als solches richten, seien eher Tarnung für Bequemlichkeit im Denken, um nichts ändern zu müssen. “Alles Scheiße” sei keine Antwort für eine Verbesserung. Statt abgeschafft gehört der Kapitalismus von innen her verändert. Und er beschreibt, wie jeder Einzelne dazu in der Lage ist. Es lohnt sich, zu lesen, was Lotter zu sagen hat und einmal die eigene Situation und Position zu hinterfragen, denn: “Die Dinge ändern sich nur, wenn wir sie selbst ändern. Wenn wir uns eine neue Arbeits- und Führungskultur wünschen, müssen wir selbst Chefs werden.”

Wolf Lotter
Zivilkapitalismus
Wir können auch anders

Pantheon
224 Seiten
Klappenbroschur
14,99 € [D] 15,50 € [A] 21,90 CHF
ISBN 978-3-570-55231-5

Erscheinungstermin: 26. August 2013

2 Kommentare zu „Kapitalismus als Bürgerpflicht

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